Auf Antrag einer Partei eines Scheidungs- oder Treunnungsverfahrens trifft der Richter vorsorgliche Massnahmen um dringende Angelegenheiten zu regeln.
Ist kein gemeinsamer Scheidungswille vorhanden, so dauert das Scheidungsverfahren Monate, wenn nicht Jahre. Deshalb ist es wichtig, die praktischen und dringenden Angelegenheiten gleich zu Verfahrensbeginn zu regeln, sofern sich die Gatten darüber nicht einigen können.
Die vorsorglichen Massnahmen sind also Massnahmen, die vom Gericht zu Beginn des Scheidungsverfahrens ausgesprochen werden, um die praktischen und dringenden Angelegenheiten in dieser Krisensituation zu regeln.
Sie sind vorübergehend, weil sie nur für die Dauer des Scheidungsverfahrens (allfällige Berufung oder Rekurs inbegriffen) ihre Wirkung entfalten.
Grundsätzlich gewährt das Gericht nur auf Begehren der einen oder der anderen Partei vorsorgliche Massnahmen. Der Richter kann jedoch vorsorgliche Massnahmen zum Kindeswohl vorsehen, auch wenn keiner der Eltern dies beantragt.
Welche Massnahmen gibt es?
Die vorsorglichen Massnahmen legen einen oder mehreren der nachfolgenden Punkte fest:
- Zuteilung der Familienwohnung an einen der Gatten
- Obhut über die Kinder (seltener die elterliche Sorge)
- Besuchsrecht und Kinder
- Unterhaltsbeiträge – Kinder und Ehegatte: Im Rahmen der vorsorglichen Massnahmen oder während der Trennung wird der Überschuss der nach Deckung der Fixkosten (Existenzminimum, Miete, Versicherungen, Steuern, ÖV-Abonnement) zur Verfügung steht, im Prinzip zur Hälfte zwischen den Ehegatten aufgeteilt, sofern die Ehegatten während des Zusammenlebens ihr gesamtes Einkommen dem Familienunterhalt gewidmet haben. Man kann allerdings von dieser Berechnungsmethode abweichen um den Ehegatten, der sich um die Kinder kümmert, zu bevorzugen oder falls besondere Umstände eine andere Aufteilung rechtfertigen (BGE 5A_515/2008).
- Verurteilung eines Gatten, die Anwalts- und Verfahrenskosten des anderen Gatten vorzuschiessen (provisio ad litem)
- Modifikation des Güterstandes
Artikel 178 ZGB wird durch eine analoge Anwendung für die vorsorglichen Massnahmen im Rahmen einer Scheidung gebraucht (BGE 118 II 378) . Das Gericht kann einem Ehegatten den Zugang zu gewissen Vermögenswerten, wie zum Beispiel Bankkonten, Wertsachen oder ähnliches, verwehren. Dies auch dann, wenn die Vermögenswerte dem Ehegatten formell nicht zusetehen, z.B. wenn sie offiziell einer Offshore Gesellschaft oder einem Trust gehören. Hierbei handelt es sich um eine vorläufige Massnahme um z.B. eine einwandfreie Auflösung des Güterstandes zu erzielen (5A_259/2010).
Das Verfahren zu den vorsorglichen Massnahmen
Die vorsorglichen Massnahmen werden in der Folge eines summarischen oder beschleunigten Verfahrens ausgesprochen. Tatsächlich geht es darum, einer gewissen Dringlichkeit Rechnung zu tragen und eine zügige Entscheidung zu treffen. Deshalb gibt es für die Anordnung der vorsorglichen Massnahmen grundsätzlich keine Zeugenanhörung. Das Gericht entscheidet und fällt sein Urteil nachdem beide Parteien die Möglichkeit hatten, schriftlich oder mündlich entscheidungsrelevante Elemente vorzutragen.
Im Falle ganz besonderer Dringlichkeit (z.B. wenn der Gatte die Familienwohnung verlässt und dabei Gattin und Kinder ohne ausreichende finanzielle Mittel zurücklässt), kann der Richter superprovisorische Massnahmen (Massnahmen von ganz besonderer Dringlichkeit) ohne Anhörung der Gegenpartei aussprechen.
Strafandrohung
Die angeordneten vorsorglichen Massnahmen können unter Androhung von Freiheitsentzug oder Busse wegen Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen, vorgesehen in Artikel 292 des schweizerischen Strafgesetzbuches, ausgesprochen werden.
Demzufolge kann der widersetzliche Gatte, indem er ganz oder teilweise der Ausführung der vorsorglichen Massnahmen verweigert, eine strafrechtliche Verurteilung provozieren.
Rekurs
Die angeordneten vorsorglichen Massnahmen können Gegenstand eines Rekurs beim nächsthöheren Gericht sein. Grundsätzlich hat der Rekurs keinen Suspensiveffekt (art. 315 ZPO) ; d.h. dass das erste Urteil ausgeführt werden kann, solange die Entscheidung des Berufungsgerichts aussteht.
Gegen das Urteil des kantonalen Berufungsgerichtes ist keine gewöhnliche Beschwerde beim Bundesgericht möglich.
Das Bundesgericht hört die kantonalen Entscheidungen zu den vorsorglichen Massnahmen nur dann an, wenn sie offensichtlich unhaltbar, schockierend oder willkürlich sind (BGE 5P.434/2004) oder wenn das kantonale Urteil gegen eine internationale Konvention oder gegen eine internationale Regel, die die Anwendung ausländischen Rechts verlangt, verstösst (BGE 5C.147/2000).
Änderung des vorsorglichen Massnahmen
Die Änderung der vorsorglichen Massnahmen kann nur dann erreicht werden, wenn sich die sachverhaltlichen Umstände seit der Entscheidung bedeutend und nachhaltig geändert haben, namentlich bezüglich des Einkommens. Besonders wenn die Änderung nach der richterlichen Entscheidung aufgetreten ist, der Tatbestand, welcher als Grundlage der Wahl der vorsorglichen Massnahmen gedient hat und wessen Änderung verlangt wird, anschliessend als irrtümlich erschienen ist oder schlussendlich nicht wie erwartet zustande gekommen ist (5A_937/2014).